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Leerbaum (Eberesche). Auf den höchsten Punkten finden sich nur noch
lange Möchten (Teufelsbart), isländisches Moos und wohlriechendes
Veilchenmoos. Dörfer giebt es im eigentlichen Riesengebirge nicht, aber
viele zerstreute Wohnungen, Bauden genannt, gleich den Senn-
hütten auf den Alpen, nur daß man einige derselben auch im Winter
bewohnt (Winterbauden). Man zählt deren wohl an 3000, deren
Bewohner Rindvieh- und Ziegenzucht treiben und gegen 20,000
Kühe und 12,000 Ziegen halten. Diese Bauden sind von Holz, auf
einer steinernen Grundlage erbaut, welche eine Klafter hoch über den
Boden hervorragt. Der Eingang ist durch das überhängende Dach vor
dem Wetter geschützt; die Wohnstube, mit einem großen Kachelofen,
einigen Tischen und Bänken ausgestattet, ist geräumig, daneben eine
Kammer, und gegenüber, durch Hausflur und Küche getrennt, befindet
sich der Stall. Das Dach ist mit Schindeln bedeckt und reicht Lei den
an Bergabhängen stehenden Bauden an der Hinterseite bis auf den
Boden hinab; unter demselben ist der Futtervorrath und zuweilen die
Schlafstelle für einen Theil der Familie oder der Gäste. Der Reisende
findet darin eine gute Herberge.
Im Frühjahr ist das Viehaustreiben, im Sommer die Wanderung
auf die Waldweide die Freude und Belustigung der Bewohner dieser
einsamen Berghütten und der Dörfer am Fuße des Gebirges. Um
Johannis wird gewöhnlich das Vieh aus den Ställen „zu Berge ge-
trieben". Beim Schalle langer, hölzerner Schallmeien, Hellahörner
genannt, bei fröhlichem Gesänge und dem Geläute der Glocken, deren
jedes Rind eine an einem verzierten Bügel am Halse trägt, treibt man
die blökenden Heerden zwischen Fichten und Tannen zu den Sommer-
bauden in das Hochgebirge, welches nun 14 bis 15 Wochen lang von
diesen sröhlichen Tönen wiederhallt. Das ist die Zeit der Ernte: da
wiè> Butter und Käse viel gemacht für den eigenen Bedarf und für aus-
wärtigen Absatz; vorzüglich lobt man die runden Kräuterkäse (Koppenkäse),
denen ein gewürziges Pulver von Majoran, Thymian, Bergsalbei,
Bergmünze, Steinklee und Schafgarbe beigemischt ist.
Ein stets schneereicher Winter, welcher vom Oktober bis in den
Mai dauert, verkürzt die Frühlings- und Herbstzeit auf wenige Wochen,
wie in den Gegenden des hohen Nordens. Der Herbst selbst beginnt
mit Frösten, welche auf den Gebirgsrücken meistens von Schneegestöber
begleitet sind, während derselbe im Flachlande noch von feuchter, reg-
nerischer Beschaffenheit ist. Auf den höchsten Gebirgsrücken schmilzt
dann gewöhnlich der Schnee nicht mehr, und nur auf den niederen
Abhängen und in den Thälern herrscht vor dem gänzlichen Einwintern
noch einige Wochen der Wechsel von Frost und Thauwetter. Die an-
gehäufte Schneemaffe, gewöhnlich die Höhe einer Klafter übersteigend,
setzt dann die Baudner oft Wochen, ja Monate lang aus aller Ver-
bindung mit den Thalbewohnern und macht den Verkehr schwierig, selbst
lebensgefährlich. Oft müssen die Bewohner den Ein- und Ausgang
durch die Dachluken oder den Schornstein suchen, die Richtung der ge-
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TM Hauptwörter (100): [T21: [Schnee Winter Wasser Sommer Berg Regen Luft Boden Land Erde], T54: [Haus Feld Bauer Dorf Pferd Stadt Vieh Land Wald Mensch], T91: [Haus Fenster Wand Stein Dach Zimmer Holz Feuer Raum Decke], T24: [Blatt Baum Blüte Pflanze Frucht Wurzel Stengel Stamm Zweig Boden], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume]]
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- 102,-
boch handeln sie mit einer solchen Überlegung und solcher Weisheit, daß
sie manche Menschen beschämen könnten. Sie thun jederzeit das Rechte,
weil Gott für sie denkt und ihnen sagt, was sie thun sollen; denn der
Schöpfer ist es, der ihnen das Nesterbauen lehrt und ihnen den Weg
durch den weiten Himmelsraum zeigt. Darum fliegen sie getrost bei
Tag und Nacht, ohne Angst Md Sorge, ob sie auch Nahrung finden
werden: überall, wohin sic kommen, ist ihnen schon der Tisch gedeckt.
Und weil eine höhere, unsichtbare Hand ihnen bauen hilft, so wird
das Nest auch so gut und fest, daß die Jungen vor Wind und Regen
trefflich geschützt sind, und daß die Alten viele Jahre lang ihr altes
Haus stets wohl erhalten finden und immer von neuem ihre Eier hinein-
legen können. Ein Naturforscher band einem Paar Schwalben, die in
seinem Hause nisteten, einen Seidenfaden an die Beine, um sie wieder
zu erkennen; und siehe, sie kehrten 18 Jahre lang in dieselben Nester
zurück, die so gut angelegt waren, daß selten eine Ausbesserung vor-
genommen wurde. Man nahm eine Rauchschwalbe zur Zeit als sie
brütete, verschloß sie in einen Käsig und reiste mit ihr viele Meilen
weit fort. Dann gab man ihr wieder die Freiheit, und der Vogel
erhob sich erst hoch in die Luft, als wollte er sich umschauen und zu-
recht finden: dann richtete er seinen Flug genau nach der Stelle hin,
wo er die junge Familie verlassen hatte.
Wenige Vögel wissen so schnell und geschickt zu fliegen, wie die
Schwalbe. Da sie vom Schöpfer auf einen fortwährenden Aufent-
halt in der Luft angewiesen ist und ihre Nahrung nur im Fluge er-
hascht^ so hat sie lange, an festen Muskeln befindliche Flügel bekom-
men, mit denen sie sehr leicht die Luft durchschneidet und schnell zu segeln
vermag. Zu schnellen Wendungen ist der getheilte, gabelförmige Schwanz
besonders geschickt. Wenn man erwägt, wie viele tausend Mal so ein
Vöglein seine Flügel den Tag hindurch schwingen muß, und doch bis
am Abend frische Kraft behält: so muß man die weise Ökonomie,
welche in die kleinen Muskeln so viel Kraft und Ausdauer legte, be-
wundern. Fast jeder große Vogel vermag in einem Tage 125 Meilen
zurückzulegen; die Schwalbe fliegt aber in einer Stunde zehn Meilen,
also 240 Meilen in einem Tage. Da bei der Schwalbe die Flüge!
entschieden die Hauptsachen sind, da sie wenig zum Sitzen kommt, noch
weniger zum Gehen, so sind auch ihre Füße demgemäß nur klein und
schwach gebildet, um den Flug so wenig als möglich zu behindern.
Dieselbe Weisheit, welche dem Huhne Gangfüße, dem Specht Klet-
terfüße, dem Falken die starken Fänge, dem Storche die langen
Beine zum Waten verliehen hat: die hat auch die Beine der Schwalbe
so klein und zart gebildet. Eben so ist der Schnabel, welcher nur leichte,
winzige Nahrung aufzunehmen hat, sehr klein und dünn, dabei ungebogen
Md pfriemförmig, um desto besser die Luft zu durchschneiden, ,und so
weit zum Auffperren, daß der ganze Schwalbenkopf in die Öffnung
hineinginge. Es sollen ja in die geöffnete Schnabelhöhle möglichst leicht
die Jnsellen hineinspazieren.
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152
sich am Abend zur Ruhe'und schläft während der Nacht. Gestärkt er-
wacht er dann am Morgen. Die Bäume haben jetzt ihren Schmuck
verloren und stehen entlaubt da; die Blumen sind verblüht, das Gras
der Wiesen ist verwelkt und alles still. Kein munterer Singvogel läßt
mehr seine Lieder erschallen, und nun treibt kein Hirt mehr seine Heerde
ins Freie. Kalt, sehr kalt ist es oft während -des Winters, und die
Leute hüllen sich deshalb tiefer in warme Kleider und Pelze. Jetzt
kann man den Ofen nicht entbehren. Man heizt fleißig ein , damit es
in den Stuben warm werde. Manche arme Leute haben weder Holz
noch Kleidung, und müssen daher frieren. Könnte ich ihnen doch helfen! —
Das Wasser gefriert vor Kälte und verwandelt sich bald in Eis.
Flüsse und Teiche sind im Winter gar oft von ihm bedeckt.
Durch die Kälte gefrieren auch die Dünste in der Luft und fallen
als Schnee herab. Dieser bedeckt Dächer, Straßen und Fluren mit
einem weißen Teppich und blendet das Auge des Wanderers. Unter
dem Schnee wächst die junge Wintersaat lustig empor, da sie durch ihn
vor Kälte geschützt wird.
Freilich können wir jetzt nicht mehr so häufig draußen spazieren
gehen, denn die Tage dauern nur acht bis neun Stunden, und oft ist
das Wetter sehr rauh. Aber doch bietet der Winter uns Kindern viele
Freuden. Wie schön ist's, wenn wir auf Schlitten schnell die Hügel
hinabgleiten! Wie schön ist's, wenn wir auf dem glatten Eise, die
Füße mit Schlittschuhen beflügelt, dahin eilen! Welche Lust ist's, wenn
der Schnee zu thauen beginnt! Da wälzen die Knaben einen Schnee-
ball so lange vor sich her, bis er groß genug ist. Nun wird noch
ein kleinerer darauf gesetzt, und der Schneemann ist fertig.
Während der langen Winterabende bleiben die Kinder zu Hause.
Da können sie um Nüsse und Äpfel spielen, oder in nützlichen Büchern
lesen und sich so angenehm die Zeit vertreiben.
Auch das schöne Weihnachtsfest wird im Winter gefeiert. Es soll
uns an die Geburt des Heilandes der Welt erinnern. Da gehen alle,
Groß und Klein, froh in die Kirche und danken Gott für die Sendung
seines Sohnes. Wir Kinder aber werden an diesem freundlichen Feste
oon unsern guten Eltern beschenkt. Ja, auch der Winter ist schön!
Und schüttelt vom kalten Gefieder
Der Winter uns Schnee auf die Flur,
So schlägt uns sein Stürmen nicht nieder,
Der Eislauf ergötzet uns nur.
84k Die vier Jahreszeiten.
(Xi. Musterstück von Kellner.)
Ernst hatte sich einen Mann aus Schnee gemacht. Jetzt stand er
vergnügt dabei, jubelte laut vor Freude und rief: „Ach wenn es doch
immer Winter bliebe!" Der Vater hörte dies und schrieb des
Sohnes Worte in seine Schreibtafel. Der Winter verging; es kam der
Frühling. Da ging Ernst mit seinem Vater in den Garten, um zu
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298
7. Portugal.
Seht hier das westlichste Land Europas, das Land, wo Apfel-
sinen blühen, das warme, schöne, liebliche, aber schlecht angebaute
Portugal — mit der Hauptstadt Lissabon.
Es grenzt dieses angenehme Land auf der Ostseite und gegen Nor-
den an Spanien; auf den beiden andern Seiten aber wird es von
dem großen Weltmeere, dem atlantischen Meere, bespült. Vier
ansehnliche Flüsse durchströmen es, die alle aus Spanien kommen:
der Minho, der Duero, der Tajo und der Guadiana. — Der
Boden ist mehrentheils trocken, bergig und steinig. In manchen Ge-
genden sind auch große Heiden.
Wer kein Freund vom Regen ist, der komme im Sommer nach
Portugal, denn von dem Monate Mai bis in den Oet ob er regnet
es hier beinahe nie. Stets ist der Himmel heiter und wolkenlecr. Zu
Ende des April fangt die Hitze an und dauert bis zu Ende September.
Vom Ende des Juli bis zu Ende August steigt ste zu einem so
hohen Grade, daß alle Gewächse verdorren. Kein grünes Grashälm-
chen ist dann zu sehen, und das Laub der Bäume hängt welk und
traurig herab. Diese Zeit ist der wahre Winter für die Gewächse.
Die Menschen aber zerfließen den Tag über in Schweiß und sind ver-
drossen zu aller Arbeit. Zum Glücke können sie sich des Abends wieder
erholen, denn schon gegen fünf oder sechs Uhr wird es merklich kühl.
Jetzt erst werden in den Städten die Straßen lebhaft; zuerst erscheint
das geschäftige Volk, lind nach Sonnenuntergang schlüpfen auch die
Vornehmen aus ihren Häusern. Immer größer wird nun das Gewühl
und das Getümmel. Die Frauenzimmer sitzen leicht gekleidet auf den
Balkons vor den Fenstern und genießen die Abendkühle. Die ganze
Nacht hindurch, bis wieder die Sonne aufgeht, hört man aus den
Straßen Guitarren und Gesang. — Die schwülste Tageshitze hin-
gegen wird beinahe allgemein verschlafen.
Wie ist es denn nun aber in den Winter-monaten, wenn tiefer
Schnee bei uns das Land bedeckt? — Schnee und Eis sind da eine
große Seltenheit; und fallen ja einige Flocken, so werden sie gleich
wieder zu Wasser. Dessen ungeachtet aber sind mir unsere deutschen
Winter lieber, denn da hat man doch oft Monate lang schönes, helles
Wetter; in Portugal hingegen regnet es beinahe beständig. Die ersten
Herbstregen auf das ausgebrannte Land wollte ich mir zwar gefallen
lassen, denn ihr glaubt nicht, was ste für Wirkung thun. Erst erscheinen
auf diese Regen die letzten Herbstblumen, wie z. B. die Zeitlosen,
die Herbstlevkojen und andere; beinahe unmittelbar darauf folgen
aber auch schon die F r ü h l i n g s p f l a n z e n. Ein fast unmerklicher Raunt
trennt Herbst und Frühling. Das jtmge Gras, das Laub sproßt her-
vor, und inacht den Oktober zu einem der angenehmsten Monate ini
Jahre. Im Februar oder März hat das Korn schon Ähren. Im
März ißt man schon Zuckererbsen und Bohnen. Die Regengüsse sind
hingegen oft auch fürchterlich, und das Wasser stürzt mit ungeheurer
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Extrahierte Personennamen: August
Extrahierte Ortsnamen: Portugal Europas Portugal Lissabon Spanien Spanien Portugal Portugal
336
Zog sie zur Hülfe bei den Schaft der Kokospalme.
Sie zog zum Schaft hinan den Tiger, und ein Krack
War hörbar, als sie ihm die ehr'nen Rippen brack
Am Boden lag er nun, sie aber kampfesmatt
Zog sich, um auszuruh'n, hinauf ins Palmenblatt.
Erwürgend hatte sie den Tag vollauf zu thun,
Worüber Nacht es ward und wir sie ließen ruh n.
Am dritten Morgen kam herbeigestürmt die Schaar
Von Weib und Kind, da nun vorbei war die Gefahr.
Da lag die Siegerin, die starre, schlaffe, matte,
Die an dem Siegesmahl sich übernommen hatte.
Sie konnte sich getrau'n, den Tiger ohne Grau'n
Zu todten, aber nicht, den Todten zu verdau'n.
(Rückert.)
31. Der Seidenspinner.
Ihr habt doch gewiß schon von dem Seidenwurme gehört, von
dem unsere Seide kommt? Nun das ist eben die Raupe, aus welcher
der Seidenspinner, eins der nützlichsten Insekten, entsteht.
Glaubt ja nicht, daß der Seidenspinner schön aussieht. Gr ist ein
Nachtvogel, ungefähr 2,5™* lang, und mit ausgespannten Flügeln
3zm breit. Er hat gelblich-weiße Flügel mit drei blaßbraunen
Streifen und kammartige Fühlhörner. Das Weibchen legt in einigen Tagen
300 bis 500 Eier, die so groß sind wie Hirsekörner. Durch eine Wärme
von 18 — 20 Grad werden diese Eier in 6 — 8 Tagen ausgebrütet.
Die kleinen Näupchen, die erst weiß sind, dann braun werden und zu-
letzt einen schwarzen Kopf bekommen, häuten sich und wachsen schnell. Sie
sind sehr gefräßig, wie alle andern ihres gleichen, rühren aber nichts
an als die Blätter des weißen Maulbeerbaumes, wenigstens will
ihnen nichts anderes recht schmecken und zusagen. Sie Häutet, sich vier-
bis fünfmal, und zwar beinahe jede Woche einmal. So lebt und frißt
nun diese Raupe 6 bis 7 Wochen lang. 5 — 8 Tage nach der letzten
Häutung fängt sie endlich an, sich einzuspinnen, was sie vorher dadurch
zu erkennen giebt, daß sie nicht mehr frißt, sondern mit Fäden im
Maule und mit aufgerichtetem Halse unruhig umherläuft, um einen Ort
zu suchen, an dem sie Fäden befestigen kann. Hat die Raupe endlich
diesen Ort, nämlich dürre Ruthen von Birken- oder andern Reisern,
gesunden, so klebt sie zwei sehr feine Tröpfchen eines klebrigen Saftes
an die Ruthen an, bewegt den Kopf hin und her und bringt so zwei
sehr dünne Fäden aus den Öffnungen heraus, die sie geschickt mit den
beiden Vorderfüßen zu einem Faden zu verbinden weiß. Zuerst spinnt
sie ein weitläufiges, verworrenes und durchsichtiges Gewebe, aus welchen!
die Floretseide kardätscht wird. Den zweiten Tag zieht sw die Fäden
um sich herum und bildet den eigentlichen Kokon (spr. Kokongh, d. h.
Seidenhäuschen), in dessen Mitte sie sich befindet. Ein solcher Kokon,
der ziemlich die Größe und Gestalt eines kleinen Taubeneies hat, besteht
aus einem einzigen Doppelfaden, der 281 bis 375*** lang ist. Dies
ist nun unsere Seide, die man nicht erst zu spinnen braucht, wie den
Flachs oder die Baumwolle, denn das hat ja die Raupe schon gethan.
Man darf nur 10—12 Kokons mit einander abhaspeln und sie zwir-
411
Wie geht es aber den Leuten, welche nördlich vom nördlichen
Wendekreise, oder südlich vom südlichen Wendekreise wohnen?
Es geht ihnen ganz erträglich, wie wir ja an uns selber sehen, die
wir doch schon ziemlich weit vom nördlichen Wendekreise entfernt wohnen.
Die Sonne steht für uns am höchsten, wenn sie über dem nördlichen
Wendekreise steht, d. i. an unserem längsten Tage, und steht für uns
am niedrigsten, wenn sie über dem südlichen Wendekreise steht, d. i. an
unserem kürzesten Tage. Je weiter nun ein Ort vom Äquator ent-
fernt, und je näher er einem der Leiden Pole liegt, desto niedriger
steht für ihn die Sonne sowohl am längsten, als am kürzesten Tage,
und wer gerade auf einem der beiden Polarkreise wohnt, der hat an
seinem kürzesten und an seinem längsten Tage ein merkwürdiges Schau-
spiel. An dem kürzesten Tage geht die Sonne für den nördlichen Polar-
kreis eigentlich gar nicht auf. Sie steht im südlichen Wendekreise und
ihre Strahlen reichen gerade nur bis an den nördlichen Polarkreis.
Wenn nun die Mittagszeit eintritt, so zeigt sich die Sonne am südlichen
Himmel nur auf einige Augenblicke; recht, als ob sie sagen wollte: ich
bin noch immer da, aber ich habe keine Zeit, lange bei euch zu ver-
weilen. Das alles aber sucht sie am längsten Tage, wenn sie im
nördlichen Wendekreise steht, wieder einzubringen. Sie steigt am Himmel
nicht eben sehr hoch, etwas höher, als bis zur Mitte des Bogens, den
ihr vom Scheitelpunkte bis zum Horizont ziehen könnt; aber da-
für geht sie auch den ganzen Tag nicht unter. Gegen Mitternacht senkt
sie sich gerade im Norden auf einen Augenblick bis zum Horizont hinab;
aber es ist, als ob es ihr leid werde, von uns zu gehen, und flugs
hebt sie sich wieder und durchläuft ihre Bahn von neuem. Von da ab
macht sie die Nächte für den nördlichen Polarkreis immer ein we^ig
länger, bis zuletzt die Nacht volle 24 Stunden lang wird und für den
Tag eigentlich gar nichts übrig bleibt.
Wie mag es nun erst den Leuten ergehen, die noch über den
Polarkreis hinaus wohnen? Das läßt sich leicht denken, wie es denen
ergehen muß. Je näher sie dem Nordpol wohnen, desto länger sind
im Winter ihre Nächte und im Sommer ihre Tage. Da giebt es
Gegenden, wo die Sonne mehrere Tage, Wochen und Monate lang
nicht aufgeht, ja wer gerade unter dem Pole wohnte, der hätte ein
halbes Jahr Tag und ein halbes Jahr Nacht; denn in der einen Hälfte
des Jahres ginge für ihn die Sonne nicht auf, in der zweiten nicht
unter. Aber unter den Polen wohnen, so viel wir wissen, keine Men-
schen, auch ist noch kein Schiff, so oft man es auch versucht hat, bis zu
den Polen hindurch gedrungen. Die kühnen Seefahrer, die das Meer
in den Gegenden um den Nordpol untersucht haben, sind meist zwischen
ungeheure Eisberge gerathen und haben von Glück zu sagen gehabt,
wenn sie wohlbehalten wieder in ihre Heimath gekommen sind.
Das muß doch ein klägliches Leben sein, wenn man Wochen und
Monate lang die Sonne nicht sieht, sondern so lange Zeit in finsterer
Nacht sitzt.
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Rande der finstern Hälfte sin wenig von der Nacht in die Damms--
ruug auf, bis man dort die ersten Strahlen der Sonne erblicken kann
und meint, sie gehe auf, und an der andern Seite der erleuchteten
Hälfte wird's immer später und kühler, bis man die Sonne nicht mehr
sieht und meint, sie sei untergegangen, und der Morgen und Mit-
tag und Abend, das heilige Osterfest und seine Glockengeläute
wandeln in 24 Stunden um die Erde herum und erscheinen nie an allen
Orten zu gleicher Zeit, sondern in Wien z. V. 24 Minuten früher,
als in Paris.
Drittens, sagt Kopernikus, während die Erde den Morgen und
den Abend und zu seiner Zeit das heilige Osterfest in 24 Stunden
gleichsam um sich herumspinnt, bleibt sie nicht an dem nämlichen Orte
im unermeßlichen Welträume stehen, sondern sie bewegt sich unauf-
hörlich und mit unbegreiflicher Geschwindigkeit in einer groß-
ßen Kreiswindung zwischen der Sonne und den Sternen fort
und kommt in 365 Tagen und ungefähr 6 Stunden um die
Sonne herum und wieder auf den alten Ort.
Deswegen und weil alsdann nach 365 Tagen und ungefähr 6
Stunden alles wieder so wird, und alles wieder so steht, wie es vor
eben so viel Zeit auch gestanden hat: so rechnet man 3 65 Tage zu
einem Jahre und spart die sechs Stunden vier Jahre lang zusammen,
bis sie auch 24 Stunden ausmachen; denn man darf nichts von der
kostbaren Zeit verloren gehen lassen. Deswegen rechnet man je auf
das vierte Jahr einen Tag mehr, und nennt es ein Schaltjahr.
Die Sache fängt an dem verständigen Leser einzuleuchten, xmb er
wäre bald bekehrt, wenn er nur auch etwas von den: Drehen und
Laufen der Erdkugel verspüren könnte! Deswegen und
Viertens, sagt Kopernikus, man kann die Bewegung eines Fahr-
zeuges, auf welchem man mitfährt, eigentlich nie an dem Fahrzeuge selbst
erkennen, sondern man erkennt sie an den Gegenständen rechts und links,
an den Bäumen und Kirchthürmen, welche stehen bleiben, und an denen
man nach und nach vorbeikommt. Wenn ihr aus einem sanft fahrenden
Wagen, oder lieber auf einem Schifflein auf dem Rheine oder auf der
Oder fahrt, und ihr schließt die Augen zu, oder ihr schaut eurem Ka-
meraden, der mit euch fährt, steif auf seinen Rockknopf, so merkt ihr
nichts davon, daß ihr weiter kommt. Wenn ihr aber aufschaut nach
den Gegenständen, welche nicht selber bei uns auf dem Fahrzeuge sind,
da kommt euch das Ferne immer näher, und das Nahe und Gegen-
wärtige verschwindet hinter eurem Rücken, und daran erkennt ihr erst,
daß ihr vorwärts kommt; also auch die Erde. An der Erde selbst und
allem, was auf ihr ist, so weit man schauen kann, läßt sich ihre Be-
wegung nicht absehen (denn die Erde ist selbst das große Fahrzeug,
und alles, was man auf ihr sieht, fährt selber mit); sondern man muß
nach etwas schauen, das stehen bleibt und nicht mitfährt, und das sind
eben die Sonne und die Sterne, z. B. der sogenannte Thierkreis.
Denn zwölf große Gestirne, welche man die zwölf himmlischen Zeichen
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nennt, stehen am Himmel und in einem hohen Kreise um die Erde
herum. Sie heißen: der Widder, der Stier, die Zwillinge, der
Krebs, der Löwe, die Jungfrau, die Wage, der Skorpion, der
Schutz, der Steinbock, der Wassermann, die Fische.
Eins folgt auf das andere, und das letzte schließt an das erste
wieder an, nämlich die Fische an den Widder. Dies ist der Thier-
kreis. Er steht aber noch viel höher am Himmel, als die Sonne,
und sie steht, von hier aus betrachtet, immer zwischen den zwei Strichen,
die seinen Rand bezeichnen, und in einem Zeichen derselben. Jene, ob
sie gleich herabwärts desselben steht, so meint man doch wegen der
sehr großen Entfernung, sie befinde sich in dem Zeichen selbst. Wenn
sie aber heute in dem Zeichen des Steinbocks steht, so steht sie nach
30 Tagen nicht mehr in dem Zeichen des Steinbocks, sondern im
nächsten, und je nach 30 Tagen immer in dem nächstfolgenden, und
daran erkennt man, daß die Erde in ihrem Kreisläufe unterdessen vor-
wärts gegangen sei. Es kann nicht fehlen. Zu dem allen sagt
Fünftens und letztens Kopernikus, wenn gleichwohl die Axe der
Erdkugel gegen die Sonne wagerecht läge, und die Erde drehte sich auch
so, und sie bewegte sich wagerecht in einer vollkommen runden Zirkel-
linie um die Sonne, also, daß die Sonne genau im Mittelpunkte des
Zirkelkreises stände, so müßte Jahr aus Jahr ein und auf allen Orten
der Erde Tag und Nacht gleich sein. Ja es müßte mitten auf der
Erde rechts und links um den rothen Faden ein ewiger Sommer glühen,
weiterhin zu beiden Seiten am Abhange der Kugel milderte und kühlte
sich die Hitze ein wenig, je schiefer die Sonnenstrahlen herabfielen, und
näher gegen die Pole hin herrschte ein Winter ohne Trost und ohne
Ende. Aber es ist nicht so, sagt der Sternseher. Die Axe der Erde
liegt nicht wagerecht und nicht senkrecht gegen die Sonne, sondern schief
in einem Winkel von 67 Grad, wer's versteht. In dieser Richtung
gegen die Sonne dreht sich die Erde in 24 Stunden um.
Wenn am 21. März der Leser sich vor sein Haus stellt, mit dem
Gesicht gegen Sonnenaufgang gekehrt, so ist der Kreis, den an selbigem
Tage der rothe Faden um die Erde zieht, noch 1470 Stunden Weges
oder 735 Meilen rechts hinaus von ihm entfernt; sein Pol aber, dem
er am nächsten ist, ist 615 Meilen von ihm entfernt links hinaus.
In solchem Standpunkt steht der Leser am 21. März. Aber schon am
22. legt sich der Faden nicht mehr ganz an den bewußten Kirschbaum
und an seinen Anfang an, sondern er läuft etwas herwärts gegen uns
daran vorbei, und so windet er sich von 24 Stunden zu 24 Stunden
in einer Schraubenlinie fort, und kommt immer näher gegen uns bis
zum 21. Juni, und ist gleichwohl noch nicht bei uns, sondern ist nur
ungefähr um 352^/z Meilen näher gekommen. Aber vom 21. Juni
an kehrt der Faden in denselben Windungen wieder zurück, immer weiter
von uns weg, bis er ungefähr am 23. September in gleicher Ent-
fernung von beiden Polen wieder hart an dem Kirschbaume vorbeistreift.
Von dieser Zeit an wendet er sich jenseits gegen den andern Pol immer
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weiter und weiter von uns weg, bis ungefähr zum 21. Dezember,
wo er 1470 Stunden weit rechts hinaus von uns entfernt ist; kehrt
alsdann eben so zurück und trifft am 21. März wieder richtig bei
dem Kirschbaume ein. Aber bis zu uns kommt er nie, weil wir so
weit von ihm weg wohnen hinaus gegen den Pol.
Aus dieser bildlichen Vorstellung ist nun zu erkennen, was zwar
der Leser schon weiß, daß er während des Kreislaufes der Erde nicht
immer in der nämlichen Richtung gegen die Sonne bleiben könne, aber
die Sternseher haben daraus berechnet, in welcher schiefen Linie die
Erde binnen Jahresfrist die Sonne umlaufen muß, damit diese Ver-
änderungen und die 4 Jahreszeiten zu Stande kommen.
Der Frühling beginnt um den 21. März, wenn der rothe Faden
gerade auf den Kirschbaum herabreicht. Die Sonne steht gleich weit
von den Leiden Polen über der Erde. Tag und Nacht sind gleich.
Die Sonne scheint immer näher zu kommen und immer höher am Himmel
hinaufzusteigen, je mehr sich der rothe Faden nähert. Der Tag und
die Wärme nehmen zu, die Nacht und die Kälte nehmen ab.
Der Sommer beginnt um den 21. Juni, wenn der Faden am
weitesten von dem Kirschbaume enffernt und am nächsten Lei uns ist.
Alsdann steht die Sonne am höchsten über dem Haupte des Lesers,
und dieser Tag ist der längste. So wie sich der Faden wieder hinaus
windet, kommt die Sonne immer schiefer gegen uns zu stehen, und die
Tage werden kürzer.
Der Herbst beginnt am 23. September. Tag und Nacht sind
wieder gleich, weil die Sonne, wie der Faden zeigt, wieder über dem
Kirschbaume steht. Aber je weiter er alsdann jenseits hinausläuft gegen
den andern Pol, desto tiefer stellt sich gegen uns die Sonne. Die
Tage und die Wärme nehmen immer mehr ab, die Nächte und die
Kühle nehmen zu.
Der Winter beginnt, wenn am 21. Dezember der Faden am
weitesten jenseits von uns enffernt ist. Der Leser verschläft alsdann
die längste Nacht, und die Sonne steht so tief, daß sie zwischen 8 und
9 Uhr erst den Morgengruß bringt.
Endlich, wenn von diesem Tage an der Faden zurückkehrt, ver-
längern sich auch die Tage wieder. Am 22. Februar kommt schon
zuweilen der Storch in seine alte Heimath zurück, und ungefähr am
21. März trifft der rothe Faden wieder bei dem Kirschbaume ein.
Dies hat noch nie gefehlt.
Hieraus ist zu gleicher Zeit zu erkennen, daß nie auf der ganzen
Erde die gleiche Jahreszeit herrscht. Denn zu gleicher Zeit und in
gleichem Maße, wie sich die Sonne von ihrem Scheitelpunkte enffernt,
oder wir von der Sonne, kommt sie höher über diejenigen zu stehen,
welche jenseits des Kirschbaumes gegen den andern Pol hinaus wohnen,
und umgekehrt eben so.
Wenn hier die letzten Blumen verwelken und das Laub von den
Bäumen fällt, sängt dort alles an zu grünen und zu blühen. Wenn
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schweselige Dünste, die sich auf irgend eine Weise entzündeten und
dann zur Erde fielen. Erst seit dem Ende des vorigen Jahrhunderts
ist es den Astronomen gelungen, über diesen Punkt der Wissenschaft
mehr Licht zu verbreiten. Sie sind der Meinung, die Stern-
schnuppen und Feuerkugeln seien einerlei Ursprungs; sie seien
weder herabfallende Sterne, noch Erzeugnisse unserer Atmosphäre —
vielmehr kleine Weltkörper, welche, gleich den Planeten und
Kometen, die Sonne umkreisen, und — wenn sie in ihrem
Laufe der Erde begegnen — von dieser angezogen, an den
Grenzen der Erd-Atmosphäre leuchtend werden, sie entzün-
ven und öfters Meteorsteinmassen herabfallen lassen.
Sternschnuppen sehen wir zu allen Jahreszeiten und in allen Him-
melsrichtungen. Wir sehen sie nicht immer vereinzell, sondern bisweilen in
ganzen Schwärmen zu vielen Tausenden erscheinen. Und was noch auf-
fallender ist, diese Schwärme scheinen an gewisse Nächte des Jahres
gebunden zu sein und periodisch wiederzukehren. Der ungeheure
Sternschnuppenregen, der sich in der Nacht vom 12. — 13. November
1833 ereignete, in welchem innerhalb 9 Stunden wenigstens 240,000
Sternschnuppen herniedersielen, brachte zuerst zwei Nordamerikaner, Olm-
stedt und Palmer, auf den kühnen Gedanken, daß solche Sternschnup-
penschwärme an bestimmte Tage geknüpft seien. Die folgenden Beo-
bachtungen bestätigten ihn; denn schon im nächsten Jahre wiederholte
sich jenes wunderbare Schauspiel in der Nacht vom 13. — 14. No-
vember. Eine gewisse Regelmäßigkeit der Sternschnuppenfälle in den
Tagen vom 10. —14. August zeigte sich, und auf andere periodische
Schwärme wurde man aufmerksam. In der Regel gehen den Stern-
schnuppenfällen mächtige Feuerkugeln voran, und wir sehen darin einen
Beweis, daß Leuchtkugeln und Sternschnuppen, trotz ihrer ver-
schiedenen Größe, zu einander gehören.
Diese Gesetzlichkeit in der Wiederkehr der Sternschnuppenfälle deutet dar-
aus hin — so schließen die Astronomen — daß gewisse Ströme
von Millionen kleiner Weltkörper existiren, deren Bahnen
mit der Bahn unserer Erde zu gewissen Zeiten des Jahres
zusammentreffen. Sind aber die Sternschnuppen in der That Welten-
schwärme, die in gesetzmäßigen Bahnen die Sonne umkreisen, so müssen
sie auch in entsprechenden Perioden vor der Sonne vorüberziehen.
Berechnungen haben nun ergeben, daß die Augustschwärme um die
Zeit des 7. Februar, die Novemberschwärme am 12. Mai in ibrer
Bahn an der Sonne vorübergehen müßten. Die letzte Periode steht irr
einem bedeutsamen Zusammenhange mit den allgemein verrufenen kalten
Tagen des Mai: Pankratius und Servatius. Gewiß hat die
Annahme manches für sich, daß die Temperaturerniedrigung jener
Tage durch das Vorüberziehen kleiner Welten verursacht werde, welche
den Sonneneinfluß auf unsere Erde schwächen.
So möge also der Leser, wenn ihn das Schauspiel der Stern-
schnuppen ergötzt, sich des Gedankens erinnern: Dort ziehen Welt-
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